Was Jom-Kippur- und Ukraine-Krieg gemein haben

Es hängt von uns ab, ob die Ukraine siegt

Die israelische Premierministerin
Die in Kiew geborene Golda Meir war während des Jom-Kippur-Kriegs Israels Premierministerin.

Beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine begegnet man ja oft dem Argument, dass diese „den Krieg nur in die Länge zögen“ und man gegen die Welt- und Atommacht Russland sowieso keine Chance hätte. Ein Sieg der Russen sei demnach aufgrund ihrer materiellen Überlegenheit, ihres Status als Atommacht, die „jederzeit auf den roten Knopf“ drücken könne sowie der inneren Geschlossenheit ihres Führungszirkels nur eine Frage der Zeit. Einiges davon habe ich bereits in meinem Blogartikel über Waffenlieferungen an die Ukraine zu entkräften versucht.

Parallelen zwischen Jom-Kippur- und Ukraine-Krieg

Nun ist mir neulich bei der Lektüre des sehr empfehlenswerten Buches ‚Unerklärte Kriege gegen Israel – die DDR und die westdeutsche radikale Linke 19671989‘ von Jeffrey Herf ein historisches Beispiel untergekommen, das einige Parallelen (und natürlich viele Unterschiede) zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine aufweist: Der Jom-Kippur-Krieg, also der syrisch-ägyptische Angriffskrieg gegen Israel. Ein Krieg, den Israel nur dank der massiven Unterstützung der USA gewinnen konnte.

Israel stand kurz vor der Niederlage

Dieser Krieg begann 1973 mit einem Überfall auf den Sinai (Westen)und die Golanhöhen (Osten) durch ägyptische bzw. syrische Truppen, die massiv von der Sowjetunion, aber auch vom Irak, Libyen, Jordanien, dem Sudan, Algerien, Marokko und Kuba unterstützt wurden. Zusammengerechnet verfügte die syrisch-ägyptische Koalition über 800.000 Soldaten, 4.600 Panzer und 1.090 Flugzeuge – konservativ geschätzt. Israel hingegen hatte seinerzeit 300.000 Soldaten, 1.700 Panzer und 488 Flugzeuge aufzubieten – also jeweils deutlich weniger als die Hälfte. Kurz gesagt: Der jüdische Staat stand kurz vor der Niederlage.

Schon damals waren US-amerikanische Waffenlieferungen entscheidend

Und hier kommt der Teil, der erstaunliche Parallelen zu der heutigen Situation der Ukraine aufweist (interessanter Nebenaspekt: Die damalige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir ist in Kiew geboren). Denn ohne die massive Unterstützung durch die Weltmacht USA im Rahmen der Operation Nickel Grass würde Israel heute wahrscheinlich nicht mehr existieren. Das ist besonders erstaunlich, da sich kein anderes westliches Land den US-amerikanischen Waffenlieferungen anschloss. Staaten wie die damals sozialliberal-geführte BRD unter Willy Brandt verboten den USA sogar, ihre Häfen oder Flughäfen für die Operation zu nutzen. Denn bereits damals setzten die Aggressoren den Zugang zu fossilen Energieträgern als Waffe ein. Dass Westdeutschland diesen Preis für das Überleben eines souveränen und demokratischen Staates nicht bereit war zu zahlen, äußerte der damalige Außenminister Scheel ganz offen gegenüber den USA.

Die Ukraine ist heute in einer besseren Situation als Israel damals

Worum es mir bei diesem Exkurs geht: Die Ukraine kann diesen Krieg gewinnen – wenn die Waffenlieferungen weitergehen und intensiviert werden. Im Gegensatz zu Israel im Jom-Kippur-Krieg wird die Ukraine nämlich nicht nur von den USA, sondern vom Gros der Industriestaaten unterstützt. Außerdem hat sie direkte Schienen- und Straßenanbindungen zu die verbündeten Nachbarstaaten Polen, Tschechien, Slowakei und Rumänien, wo nicht nur die Regierungen, sondern auch die Bevölkerungen voll und ganz hinter der ukrainischen Sache stehen.

Kriegsentscheidend ist die öffentliche Meinung im Westen

Entscheidend für Russland ist es also, die öffentliche Meinung in den Staaten zu beeinflussen, die etwas weiter entfernt vom Konfliktgeschehen liegen und die in der Vergangenheit zu seinen Fürsprechern im Westen zählten. Hier ist zuvorderst Deutschland zu nennen, aber auch Italien und Frankreich zähle ich zu dieser Kategorie. Im Falle der Bundesrepublik kommt noch eine extrem hohe Abhängigkeit von russischem Gas hinzu, für die Politiker*innen jedweder Couleur – aber vor allem die Gerhard Schröders und Sigmar Gabriels dieser Welt – verantwortlich sind. Russlands Beeinflussung des Diskurses erfolgt durch Troll-Armeen im Internet, nützliche pseudointellektuelle Idiot*innen in Talkshows (die behaupten, dass die Ukraine den Krieg sowieso nicht gewinnen könne) und vor allem durch die Verknappung des Gases. Der letzte Punkt ist besonders effektiv, da Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen besonders darunter zu leiden haben; eine große Wähler*innengruppe, die mit der Zeit mehr und mehr darauf pochen könnte, die Sanktionen gegen Russland zu lockern und weniger oder sogar keine Waffen zu liefern.

Die Lösung: Umverteilung

Dem müssen wir nicht hilflos gegenüberstehen. Höhere Steuern für Reiche, weniger Steuern für alle anderen sowie höhere Löhne könnten helfen, die Belastungen fairer zu verteilen. Dass diese wichtige Umverteilung allerdings unter Cum-Ex-Olaf, Porsche-Lindner und „Die-kriegst-du-nicht-Alter“-Habeck angepackt wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Eins ist aber klar: Die Ampel muss mehr Entlastungen schaffen als Tankrabatt, 9-Euro-Ticket und Energiepreispauschale. Sonst wird die sowieso schon bröckelige Zustimmung der Deutschen zu Waffenlieferungen noch weiter sinken. Und den Preis dafür zahlen werden nicht wir, sondern die Ukrainer*innen.

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