Waffenlieferungen an die Ukraine

Brutaler Pazifismus
Soldat hinter ukrainischer Flagge
Russland darf in der Ukraine keinen Erfolg haben.









Gewalt ist keine Lösung – eigentlich eine Binsenweisheit, der wohl jeder intuitiv zustimmen würde. Und es stimmt ja auch: Die wenigsten Probleme lassen sich mit Gewalt lösen, oft verschlimmert sie die Dinge sogar (meine Meinung zu „robuster“ Law & Order-Innenpolitik habe ich ja schon vor einiger Zeit niedergeschrieben). Manchmal ist sie aber leider unvermeidlich; denn auch Selbstverteidigung ist eine Form der Gewalt – allerdings eine legitime. Und genau diese wendet die ukrainische Armee aktuell gegen die russischen Invasoren an. Ich halte es daher für richtig, Waffen an die Ukraine zu liefern und für falsch, wie manche Pazifist*innen dagegen Stimmung machen. Warum ich dieser Meinung bin, möchte ich in diesem Artikel erläutern.

Ich verabscheue Gewalt

Doch vorerst ein paar Worte zu meiner persönlichen Beziehung zu Gewalt. Ich habe das große Glück, dass meine gesamte Jugend ziemlich friedlich war und ich mich bis heute nie ernsthaft mit irgendwem prügeln musste oder verprügelt wurde. Das führt dazu, dass ich auch heute noch mit großer Abscheu auf Menschen blicke, die anderen Menschen Gewalt zufügen – egal ob mit Waffen oder ohne. Konflikte sollte man im Alltag meiner Meinung nach immer im Dialog klären. Kurz gesagt: Pazifismus ist eine Einstellung, die mir eigentlich recht sympathisch ist.

Die zynische Rechnung der Kapitulationsbefürwortenden

Womit ich allerdings ein Problem habe, ist Dogmatismus. Und in Bezug auf den russischen Angriffskrieg sehe ich davon in letzter Zeit ziemlich viel. Aus der Liebe zum Frieden wird bei Pazifist*innen wie Rudolf Augstein hierbei allzu oft Komplizenschaft zum Unrecht (Richard David Precht ist hier auch zu nennen, obwohl ich diesen nicht grundsätzlich als Pazifist einstufen würde) . Konkret heißt das Programm dieses (in seinen Folgen durchaus) brutalen Pazifismus: keine Waffenlieferungen mehr an die Ukraine, sofortige Kapitulation Selenskyjs. 

Dass unbewaffnete Zivilist*innen in Orten wie Butscha brutal hingerichtet werden, dass russische Soldaten Frauen vergewaltigen, dass Städte wie Mariupol vernichtet werden – alles Schuld der Ukrainer*innen. Sie hätten sich am 24. Februar ergeben und ihre gewählten Politiker*innen dem FSB übergeben sollen. 

Ein schneller Sieg Putins hätte dieser Argumentation nach dazu geführt, dass keine Städte zerstört und keine Massenmorde und Kriegsverbrechen seitens der russischen Armee begangen worden wären – zumindest nicht an der gewöhnlichen Zivilbevölkerung. Die demokratische ukrainische Elite und die Einwohner*innen der Provinzen Donezk und Luhansk hätten mit ihrer Freiheit für den Frieden bezahlen sollen. So die zynische Rechnung der dogmatischen brutalen Pazifist*innen. Kurz gesagt: Opfer werden zu (Mit-)Täter*innen gemacht, faschistische Willkür zum unabwendbaren Schicksal des Landes verklärt. 

Das hätte fatale Folgen für die Ukrainer*innen gehabt. Egal welchen Statthalter Putin für seine ukrainische Marionettenrepublik auserkoren hätte – auf lange Sicht hätte dieser die Gesellschaft ähnlich gleichgeschaltet wie sein Lehnsherr in Russland. Eine weitere faschistische Diktatur in Europa wäre entstanden. Dieser Kollateralschaden ist in der Argumentation der brutalen Pazifist*innen eingepreist.

Die Folgen einer ukrainischen Kapitulation

Doch einer Eroberung der Ukraine durch Russland hätte eben nicht nur Folgen für die dortige Bevölkerung, sondern auch für die gesamte Weltordnung. Nationalistische Autokratien befinden sich weltweit im Aufwind und scheuen auch nicht davor zurück, Grenzen gewaltsam zu verschieben. China beispielsweise schaut sich gerade ganz genau an, zu welchen Kosten eine Invasion der Demokratie Taiwan durchzuführen wäre. Und auch der Expansionshunger des russischen Regimes wäre nach einem Sieg in der Ukraine noch lange nicht gestillt – Moldau und Georgien stehen ganz oben auf seiner Wunschliste.

Die Ukrainer*innen kämpfen aktuell also nicht nur für ihre eigene Freiheit, sondern auch für die Freiheit Moldaus, Georgiens und ein Stück weit sogar Taiwans. Dieser Freiheitskampf muss von uns unterstützt werden – mit Sanktionen und auch mit Waffen. Das Appeasement infolge der russischen Aggressionen in Transnistrien, Südossetien, Abchasien, auf der Krim und in Donezk und Luhansk ist gescheitert. Trotz aller intensiven diplomatischen Bemühungen europäischer Regierungschef*innen – vor allem auch des ukrainischen Präsidenten – ließ sich der jetzige Krieg nicht verhindern. Putin und seine Bande haben uns allen den Weg der Gewalt aufgezwungen. Die ukrainische Armee muss nun dafür sorgen, dass dieser Weg nicht durch weitere Gebietsgewinne und Erfolge der russischen Seite belohnt und legitimiert wird. Sie sollten dafür alle Hilfe bekommen, die sie benötigen – auch wenn diese tödlich ist.

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