Das Landesantidiskriminierungsgesetz, Saskia Esken und die Polizei-Lobby


#Blacklivesmatter-Demonstrierende in Deutschland
#Blacklivesmatter-Demonstrierende in Deutschland.

Einhellig wird die Ermordung George Floyds durch deutsche Politiker*innen und Polizeigewerkschaften verurteilt. Anschließend werden ein paar leere Statements gegen Rassismus herausgehauen, um die Debatte über rassistische Polizeigewalt in Deutschland erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dass die hiesige Politik sich offenbar als Wunscherfüllerin und Anwältin der Polizeigewerkschaften sieht, habe ich ja schon in einem anderen Beitrag thematisiert. Nun können wir aber beobachten, wie hilflos dieses Gebaren wirkt, wenn 10.000 täglich von rassistischer Diskriminierung (nicht nur) durch Polizist*innen Betroffene auf die Straße gehen und diese Missstände anprangern. 

Die Hetzkampagne gegen Saskia Esken

Ein Innenminister nach dem anderen gibt seinem Reflex nach und bescheinigt unseren deutschen Polizeien blütenweiße Westen. So widersprachen die sozialdemokratischen Innenminister aus Niedersachsen, Thüringen, Berlin und Rheinland-Pfalz ihrer Chefin Saskia Esken, nachdem diese von "latentem Rassismus" in der Polizei und der Notwendigkeit sprach, dass dieser durch Maßnahmen der inneren Führung erkannt und bekämpft werden müsse. Eine vollkommene Selbstverständlichkeit eigentlich. Selbst die sozialdemokratische Bundesjustizministerin machte jedoch beim Bashing ihrer Chefin mit. Die Empörung vonseiten der CDU lasse ich hier mal gänzlich unerwähnt, da sie eh immer zu erwarten ist, wenn es nur irgendwie kritisch gegen "den Freund und Helfer" geht. Der SPD-Chefin wurde unterstellte, dass sie die Polizei unter einen Generalverdacht gestellt hätte. Dies ist schlicht und einfach eine infame Lüge, die auch noch in vorderster Reihe von Eskens Parteifreund Boris Pistorius geäußert wurde. Sogar die angebliche Bürgerrechtspartei FDP griff diese auf. Die BILD-Zeitung (die ja auch gerne Werbung mit Polizist*innen macht) ist mit ihrer tendenziösen Berichterstattung in diesem Fall wahrscheinlich mal wieder der Brandbeschleuniger. So unterschlug sie nämlich den wichtigen Teilsatz, in dem Esken sagte, dass der Großteil der Beamt*innen diesen Tendenzen sehr kritisch gegenüber stünde und unter dem daraus entstehenden Vertrauensverlust leiden würde. Also ausdrücklich kein Generalverdacht! 

Einzelfälle über Einzelfälle

Rechtsextreme Netzwerke in der hessischen Polizei, das rechtsterroristische Hannibal-Netzwerk, welches Angehörige verschiedener Sicherheitsbehörden vereint, der seit 15 Jahren unaufgearbeitete Tod Oury Jallohs sowie die vielen täglichen Schikanen, Übergriffe und Einschüchterungen, die PoC jeden Tag durch Polizeibeamt*innen erleben, sind also kein Rassismus? Das sind alles nur Einzelfälle? Allein für den Raum Berlin führt die 'Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt' (KOP) eine 300-Seiten starke Chronik für den Zeitraum von 2000 bis heute. Und selbst das ist wahrscheinlich nur ein Bruchteil der Vorfälle. 

Die Hetzkampagne gegen das Landesantidiskriminierungsgesetz Berlins

Ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz. Dieses wurde natürlich prompt wieder von allerlei eher konservativen Politiker*innen, den Polizeigewerkschaften, aber auch vielen Journalist*innen kritisiert. Da es sich hier von der Masse an "Kritik" fast schon um eine Art Shitstorm handelt, empfehle ich euch eine Suche bei Google, wenn ihr die oft irrwitzigen Argumentationen der Gegner*innen des LADGs en detail lesen möchtet. Um sie für euch etwas polemisch zusammenzufassen: Der böse linksextreme Senat im kriminellen Moloch Berlin unterstellt all seinen Polizist*innen rassistisch zu sein und will sie deshalb zahlen lassen, sobald irgendeine Beschwerde ankommt, da die armen Beamt*innen ja nun ihre eigene Unschuld beweisen müsste. Dass dies Bullshit ist, hat ein Jurist und Hochschullehrer beim Bundeskriminalamt in einem Debattenbeitrag für PolizeiGrün gut zusammengefasst:


Er bezieht sich hier auf die Drohungen aus NRW (von der dortigen GdP), Bayern (von Innenminister Herrmann) und aus Brandenburg (von Innenminister Stübgen), zu prüfen, ob man weiterhin Bereitschaftspolizei bei Großereignissen nach Berlin schicken will. Das ist eine absolute Frechheit und eine komplette Respektlosigkeit der gewählten Berliner Volksvertretung gegenüber, die dieses Gesetz ja beschlossen hat. Vor allem, wenn man sich abermals einer schlichten Lüge bedient, um ein solch undemokratisches Gebaren zu rechtfertigen.

Der nächste Punkt, mit dem innenpolitische Akteur*innen die Debatte in eine bestimmte Richtung treiben wollen, ist die angebliche Einführung einer "Beweislastumkehr". Wieder eine Lüge. Im Verfassungsblog heißt es dazu:

"Entgegen anderslautender Behauptungen enthält § 7 LADG gerade keine Beweislastumkehr zulasten der Polizei. Ähnlich wie bei § 22 AGG findet sich dort lediglich eine Beweiserleichterung. Der Unterschied zwischen beidem ist erheblich: Bei der Beweislastumkehr würde bereits die bloße Diskriminierungsbehauptung ausreichen, um der Gegenseite den vollen Entlastungsbeweis aufzubürden. Für die Vermutungsregelung des § 7 LADG genügt dies jedoch mitnichten. Vielmehr verlangt das LADG hier die Glaubhaftmachung von Tatsachen, die einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot „überwiegend wahrscheinlich machen“. Der einfache Hinweis auf die Hautfarbe, das Geschlecht oder eine Behinderung etc. führt also nicht bereits zu einer erhöhten Rechtfertigungslast der Behörden. Vielmehr bedarf es hierzu gewichtiger Indizien, die eine Diskriminierung im konkreten Einzelfall erst nahelegen."

Der Umgang mit der Polizei erinnert an den Umgang mit den Konzernen in der Klimakrise

Ähnlich wie bei der öffentlichen Diskussion um mehr Klimaschutz erleben wir hier ein Aufbäumen konservativer Kräfte (zu denen ich auch viele SPD-Granden zähle) gegen jegliche Verbesserung der Zustände gepaart mit einem vordergründigen Heucheln von Verständnis. Was in der Klimakrise die 'systemrelevanten' Konzerne sind, ist in der jetzigen Debatte die Polizei. Das öffentliche Bekenntnis gegen Rassismus wird zur reinen PR und Verhöhnung der Opfer, wenn man gute Gesetzesvorhaben wie das LADG und wichtige Statements wie das von Saskia Esken systematisch versucht zu verunglimpfen ohne dabei auch nur ein einziges konstruktives Argument beigetragen zu haben. Rassismus und Polizeigewalt sind Realität in Deutschland. Da hilft auch ein Kleinreden und vertuschen nichts. Im Endeffekt scheint es, dass vielen Politiker*innen das ressentimentgeladene Stammtischgeschwätz weißer älterer Möchtegern-Innenpolitiker in irgendwelchen Provinzkneipen wichtiger ist, als die Wahrung der Rechte von Minderheiten. Gleiches gilt übrigens für einige linke Publizist*innen, die Antirassismus als identitätspolitisches Gedöns abtun und sich nach einer rechts-sozialdemokratischen Partei wie in Dänemark sehnen. Dass diese aber (zurecht) gar nicht mal so viel Erfolg damit hat, wird geflissentlich ignoriert.

Kommentare

Beliebte Posts