Ronaldo und das Wohltätigkeitsdilemma
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Cristiano Ronaldo im Trikot von Real Madrid. Quelle: Oleg Dubyna. |
Vor einigen Wochen geisterte die Meldung durch die Nachrichten, dass Cristiano Ronaldo seine Hotels auf eigene Kosten zu Corona-Krankenhäusern umfunktionieren würde. Die Kommenator*innen in den sozialen Medien überschlugen sich mit Lobgesängen auf den portugiesischen Fußballstar und Multimillionär (Einkommen: 287.000 Euro pro Tag). Viel tiefer als die Phrase "In der Krise zeigt sich der wahre Charakter"ging die Argumentation derjenigen jedoch nicht, die darin wieder einmal gesehen haben wollten, was für ein Vorbild der Stürmer sei.
Der großzügige Ronaldo
Diese Nachricht entpuppte sich nur kurze Zeit später als Falschmeldung. Nun könnte ich es mir leicht machen, mich zurücklehnen und über die Gutgläubigkeit der Internetgemeinde schmunzeln. Nur gehört zur Wahrheit, dass Ronaldo tatsächlich als überaus großzügiger Spender bekannt ist. Zuletzt spendete er laut seinem Manager einen "Millionenbetrag" an zwei Krankenhäuser in Portugal, damit diese ihre Intensivbetten für die Corona-Krise aufstocken können. Auch in den Jahren 2014 und 2015 spendete er jeweils rund sieben Millionen Euro, um den Opfern von Naturkatastrophen auf dem Balkan beziehungsweise in Nepal zu helfen. Googlet man die Stichwörter "Cristiano Ronaldo" und "Spenden", wird man gar von einer Lawine an Artikeln über seine Spendenaktivitäten überrollt.
Der gierige Ronaldo
Einer Institution gibt Ronaldo jedoch nicht so gerne sein Geld – dem spanischen Fiskus. Im Jahr 2019 wurde er wegen Steuerhinterziehung von der dortigen Justiz zur Nachzahlung von 19 Millionen Euro und zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Mit einer Briefkastenfirma in der Karibik, Strohmännern und einer ganzen Schar von Anwälten (Frauen waren nicht darunter) versteckte er jahrelang seine Werbeeinnahmen vor den spanischen Steuerbehörden. Nur durch gefälschte Dokumente konnten Ronaldo und sein Team einen Betrugsprozess abwenden, bei dem ihm mindestens sieben Jahre Haft gedroht hätten.
Das Grundproblem
Jetzt sagen einige bestimmt: "Na und? Er hat doch bestimmt schon ein Vielfaches der Summe gespendet. Da kommt das Geld immerhin auch da an, wo es gebraucht wird." Hierbei handelt es sich leider um eine weit verbreitete Fehlannahme. Nichtgezahlte Steuern kann man nicht gegen gezahlte Spenden aufwiegen. Während erstere nach Jahrzehnten von neoliberaler Politik und Propaganda heutzutage einen denkbar schlechten Ruf haben, gelten letztere als Kennzeichen eines guten und gemeinwohlbedachten Charakters. Zumindest das erste Urteil ist grundlegend falsch. Von Steuern profitieren alle Mitglieder einer Gesellschaft, da mit diesen Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser und Bahnstrecken finanziert wird. Außerdem können wir in einer Demokratie indirekt alle darüber mitbestimmen, für welche Schwerpunkte dieses Geld ausgegeben werden soll. Bei Spenden entscheidet darüber hingegen eine einzige Person (in manchen Fällen auch eine Firma). Eine Spende darf immer nur zusätzlich zur Zahlung von Steuern erfolgen, nicht stattdessen. Anosonsten ist diese nicht viel mehr als PR.
Gerechtere Steuern statt öffentlichkeitswirksame Spenden!
Nicht nur in der Krise, sondern auch in der der grundsätzlichen Einstellung zu Steuern, zeigt sich der wahre Charakter. Wieso setzen sich so wenige Superreiche für gerechtere Steuersysteme ein? Wieso geben sie nicht ihre Millionen und Milliarden aus, um Initiativen wie die Bürgerbewegung Finanzwende oder Finance Watch zu unterstützen, die sich für mehr Regulierung an den Finanzmärkten und eine ausreichend hohe Finanztransaktionssteuer einsetzen? Es scheint, dass mit sehr großem Reichtum eine Art Messias-Komplex einhergeht. Selbst Cristiano Ronaldo meint es möglicherweise nur gut mit seinen Spenden und versteht vielleicht nicht, wie ein Staat es wagen kann, ein paar Prozente seines Einkommens zu verlangen. Das würde zumindest seine beleidigte Reaktion während der Ermittlungen erklären.
Nur ein kleiner Fisch unter vielen großen
Zugegeben: Vielleicht ist Ronaldo ein allzu leichtes Ziel für meine generelle Kritik am Verhalten vieler Superreicher. Er findet viel in der Öffentlichkeit statt, macht Fotos mit teurer Mode und schnellen Autos und lässt sich beim Steuernhinterziehen erwischen. Auch am Verhalten von vermeintlich lupenreinen Großspendern wie Bill Gates und seiner Stiftung lässt sich einige Kritik üben. Dieser hinterzieht zwar keine Steuern, verfügt aber über eins der größten Privatvermögen der Welt, bei dem allein seine Frau und er entscheiden, welchen wohltätigen Zwecken dieses zugute kommen soll. Über Summen dieser Größenordnung sollte keine Familie allein entscheiden dürfen, nein, keine Familie sollte überhaupt so reich sein können. Dies zeugt vom generellen Problem unseres kapitalistischen Systems: der extrem ungleichen Verteilung von Reichtum. Da kann man fast schon Verständnis für den kleinen fußballspielenden Jungen aus dem ärmlichen Madeira aufbringen, der es heute zum Millionär geschafft hat und nicht einsieht, warum er nicht haben darf, was
andere in viel größeren Ausmaßen längst haben...
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