Wie die Corona-Krise die Klimakrise langfristig verschlimmern könnte
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Viele Regierungen lockern Umweltschutzauflagen, "um der Wirtschaft zu helfen". |
Wer hat sie nicht gesehen, die Bilder vom klaren Wasser der venezianischen Kanäle oder die NASA-Aufnahmen, die den Rückgang der Luftverschmutzung in China zeigen. Auch bei uns sieht man weniger Autos auf den Straßen und durch den Produktionsstopp von VW und anderer großer Konzerne sinkt der CO2-Ausstoß. Was erst einmal positiv wirkt, wird mittel- und langfristig zu einem gewaltigen Problem werden, denn das jetzt eingesparte CO2 wird ein Feigenblatt sein. Mit diesem werden sich die Regierungen schmücken, um noch weniger Klimaschutz gegen die Industrie durchsetzen zu müssen. Dies dürfen wir nicht zulassen, denn auch die Klimakrise ist existenzbedrohend. Die Klimaerwärmung betrifft sogar fast die gleichen Risikogruppen, die auch jetzt auf besonderen Schutz durch die Gesellschaft angewiesen sind:
Nicht nur Hitze, sondern auch Hochwasser, Stürme und andere Extremwetterereignisse werden zunehmen und für Verletzte, Traumatisierte und Tote sorgen. Wenn uns die Corona-Krise eins gelehrt hat, dann dass die Politik auf existentielle Krisen reagieren kann, selbst wenn das harte Einschnitte für die Wirtschaft bedeutet.
Regierungen versagen im doppelten Krisenmanagement
Doch momentan versagen viele Regierungen im doppelten Krisenmanagement auf ganzer Linie. Der Druck der Wirtschaft und die teuflische Verführung durch scheinbar einfache Lösungen der coronabedingten Wirtschaftskrise Herr zu werden sind die Gründe dafür. Diese beiden führen zum Überbordwerfen von Umweltschutzzielen. Donald Trump nutzte beispielsweise die für seine Klimawandelleugnungs-Agenda günstige Gelegenheit und kippte Auflagen für die Ölindustrie. Die Londoner Denkfabrik Carbon Tracker vermutet, dass China und andere Länder Kohlekraftwerke bauen könnten, um die Wirtschaft aus der Corona-Rezession zu katapultieren. Da scheint es fast nur eine Randnotiz zu sein, dass das eigentlich mit der Planung der UN-Klimakonferenz beschäftigte Klimasekretariat der Vereinten Nation momentan nicht ordnungsgemäß arbeiten kann und die für November geplanten Verhandlungen nun auf der Kippe stehen.
Bundesumweltministerin und Bundesfinanzminister fordern ein Öko-Konjunkturpaket
Auch in Deutschland ist zu erwarten, dass die Bundesregierung ihre klimapolitischen Hausaufgaben auf die lange Bank schiebt. Zwar bekräftigte die Bundesumweltministerin unlängst, am bisherigen Kurs festhalten zu wollen und forderte ebenso wie Olaf Scholz ein ökologisch ausgerichtetes Konjunkturpaket nach der akuten Phase der Pandemie. Dabei könnte es sich aber auch lediglich um ein PR-Manöver handeln. Mit Blick auf das Klimapäckchen aus dem letzten November ist hier Skepsis angebracht. Spannend wird vor allem, ob die Bundesregierung an der Einführung des CO2-Preises im Jahr 2021 festhält. Auch die Fluggesellschaften lobbyieren wegen Corona schon fleißig gegen geplante Klimaschutzvorgaben und haben in der Unionsfraktion schon einen ersten Unterstützer gefunden.
Der fragliche Nutzen von digitalem Protest
Erfahrungsgemäß tut sich im Klimaschutz leider nichts ohne öffentlichen Druck in Form von Demonstrationen. Da diese nun durch grundrechtswidrige Einschränkungen des Demonstrationsrechts nicht mehr möglich sind, stellt sich die Frage nach Alternativen. Momentan bestehen die aus digitalem Protest, der im Posten von Pappschildern mit Forderungen in Form von Hashtags resultiert. Zwar beteilige auch ich mich daran, nur ist fraglich, wie groß dessen Nutzen letztlich sein wird. Ein Social-Media-Feed ist nun einmal kein öffentlicher Raum, sondern ein mittels Algorithmen und Freundes- sowie Followerlisten personalisiertes Wohlfühlzimmer. Durch Demo-Routen blockierte Straßen und Plätze lassen sich von unbeteiligten Dritten nicht ignorieren, während ein Instagram-Post schnell weggescrollt werden kann. Ohne die Hilfe von Journalist*innen und Meinungsmacher*innen wird die Klimakrise also schnell wieder in den Hintergrund rücken. Es lässt sich nur hoffen, dass die großen Online-Medien ihrer Verantwortung gerecht werden und das Thema nicht vernachlässigen.
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